
Stoff ist teuer. Gerade als Nähanfängerin möchte ich nicht im Stoffladen für einen Quadratmeter Stoff 40€ zahlen und dann aus Angst, mich zu vernähen oder irgendwo einen falschen Schnitt zu setzen, den Stoff nicht verwenden. Daher habe ich mich nach Alternativen umgesehen, wie ich günstig an Stoff kommen kann, der hochwertig ist und für den möglichst wenig neue Ressourcen verbraucht wurden. Und als Flohmarkt- und Secondhand-Profi kann ich euch nun folgende Tipps präsentieren, wie ihr an Unmengen an Stoff kommen könnt und euer Geldbeutel und euer Gewissen nicht leiden muss:
Alternative 1: Frag’ Mama oder Oma
Ich kenne niemanden, bei dem oder der nicht entweder Mama oder Oma irgendwann einmal genäht haben. Oft liegen noch ganz viele Stoffe in deren Keller oder auf dem Dachboden, von denen ihr gar nicht wisst. Falls es in eurer Familie tatsächlich keinen Stoff mehr gibt, fragt doch mal bei euren Freunden oder Nachbarn nach – oft ist man dort doch auch froh, den Keller ein wenig entrümpeln zu können!
Alternative 2: Flohmarkt / Werkhöfe / Gebrauchtwarenhäuser
Ich liebe Flohmärkte und Werkhöfe und oft gibt es da auch einen Stand oder eine Ecke mit Handarbeits-Kram. Auf Flohmärkten finde ich besonders oft Nähzubehör, wie Reißverschlüsse, Nadeln und Garne. Ich nehme mir auch gerne Kleidungsstücke mit, die mir viel zu groß sind, aber deren Stoff und Farbe mir gut gefallen – daraus kann man sich auch etwas Tolles nähen.
Alternative 3: Stoffreste aus dem Stoffladen
Stoffläden haben immer Reste übrig, fragt einfach mal nach. Ich habe dort schon oft kostenlos tütenweise Stoff abholen können. Manche Geschäfte wie Idee (unbezahlte, unbeauftragte Werbung) bieten auch günstige Stoffreste-Überraschungstüten an. Natürlich sind das dann viele kleine Stücke, aber auch oft sehr unterschiedliche Stoffarten, wie Seide, Jeans, Frottee, Leinen, … So könnt ihr auf jeden Fall gut üben, auch wenn man nicht mehr wirklich etwas aus dem Stoff nähen kann!
Alternative 4: eBay Kleinanzeigen und andere Flohmarkt-Websites und -Apps
Auf eBay habe ich schon meine Nähmaschine sehr günstig gekauft, und dementsprechend findet man auch sehr günstige Stoffe und Nähzubehör. Oft bieten Personen auch viele verschiedene Stoffe an, sodass ich mir gerne große Pakete packen lasse, um Versandkosten zu sparen. Hier muss man allerdings auch ein wenig Glück haben – ich würde euch empfehlen, einige Suchen einzuspeichern und dann immer mal wieder nach neuen Angeboten sehen.
Pro-Tipp: Gerade wenn ihr im Internet nach Stoffen sucht, solltet ihr euch alternative Suchbegriffe zu “Meterware” oder “Stoff” überlegen. Ich suche zum Beispiel nach “Tischdecke”, “Gardinen”, “Bettlaken” oder ähnlichem. Denn: das sind meistens große Stoffbahnen, die schon gesäumt sind, die oft aus Baumwolle oder Leinen sind, und die sehr günstig angeboten werden. So habe ich zum Beispiel vor Kurzem für 15€ zwei hellblaue Tischdecken aus Bio-Baumwolle (Maße 200 x 145cm) gekauft, von denen ich wohl ewig zehren werde.
Genau aus diesem Stoff ist auch schon ein erstes Nähprojekt entstanden. Ich hatte mal auf Pinterest ein Kleid gesehen, das ich unbedingt nähen wollte, da ich es richtig hübsch fand und es meines Erachtens nach auch nicht so schwer umzusetzen war. Ich habe mich lange gedrückt, da ich noch gar keine Erfahrung mit so großen Kleidungsstücken (oder überhaupt Kleidungsstücken) habe. Nach einem Gespräch mit einer Freundin, die richtig gut nähen kann, hat mich dann aber doch die Motivation eingeholt und ich habe das Kleid an einem Abend fertiggenäht. War also wirklich nicht sooo schwer!
Material für das Kleid:
- Baumwollstoff (2 x 1,45m)
- farbiges Garn
- Stoffschere
- Nähmaschine
- Stecknadeln
- Maßband
- schmales Gummiband
- etwas dickeres Garn
- Stoffkreide oder einen feinen Bleistift
Der Stoff wird nun wie hier auf der Grafik zugeschnitten. Träger, Mittelteil und Unterteil könnt ihr von den Maßen her übernehmen (außer ihr wollt das Kleid länger oder kürzer nähen, dann bitte bei Mittel- und/oder Unterteil jeweils die Breite anpassen). Lediglich beim Oberteil solltet ihr entweder an euch selbst oder an einem eurer Kleidungsstücke Maß nehmen und die Maße dementsprechend anpassen.
Sofern ihr nicht das Glück habt, den Stoff einer bereits gesäumten Tischdecke zu nehmen, solltet ihr nun zuerst alle Seiten der großen Stoffteile säumen. Dazu schlagt ihr die Ränder zweimal nach innen um (je Umschlag zw. 0,5 und 1 cm einplanen), das bügelt ihr dann am besten fest und steckt es gleich mit Nadeln ab. näht dann mit Geradstich an der Innenkante des Umschlags entlang.
Bei den oberen Stoffrändern der Oberteil-Stücke macht ihr jeweils einen etwas größeren Umschlag (etwa 2cm breit), sodass hier ein Tunnel entsteht, durch den man später die Träger ziehen kann.
Wenn ihr wollt, könnt ihr gleich ein Stück Baumwollseil oder eine Schnur durch den Tunnel ziehen, um zu verhindern, dass ihr dort aus Versehen zunäht. Nun säumt ihr das Oberteil auf allen anderen drei Seiten – ebenso dass zweite Stück.
Nun nehmt ihr das Unterteil, also das größte Stoffstück zur Hand. Näht hier nochmals auf einer der Längsseiten entlang des Umschlags, nun an der Außenkante:
Nehmt nun das dickere Garn zur Hand und schneidet ein Stück von 155 cm Länge ab. Dieses knotet ihr an eine Nadel und zieh es durch den gerade entstandenen Tunnel an der Oberseite des großen Unterteil-Stücks. Am besten knotet ihr das Garn gleich auf einer Seite fest. Wir können so eine Raffung erzeugen, indem das 200 cm lange Stück auf 150 cm gerafft wird. Wenn ihr das Garn durch den Tunnel gezogen habt, knotet es auch auf der anderen Seite fest. Jetzt könnt ihr die Raffung noch ein wenig ausgleichen und die Rüschen gleichmäßig verteilen.
Gleiches führt ihr nun bei dem Mittelstück durch. Die Oberseite des Mittelstücks wird auf euren Taillenumfang, in meinem Fall 70 cm, gerafft. Bitte nehmt hier aber nicht das dicke Garn, sondern unbedingt das Gummiband!
Wenn das getan ist, könnt ihr das Unterteil und das Mittelteil links auf links an der Kante aneinanderstecken. Die Raffung des Unterteils liegt auf der nicht gerafften unteren Kante des Mittelstücks – die beiden Teile müssen perfekt aufeinander passen. Steckt die Kanten mit Stecknadeln ab…
… und näht die beiden Stücke unterhalb eurer anderen Nähte zusammen, da man diese sonst von außen sieht!
Ihr habt jetzt den Rock genäht:
Damit der Rock auch noch geschlossen wird, steckt ihr ihn an der geöffneten Seite links auf links zusammen und näht entlang der Kante. Ich habe hier eine Zick-Zack-Stich gewählt, da man diesen von außen sowieso nicht sieht, und ich dabei immer ein sichereres Gefühl habe.
Breitet nun den Rock so vor euch aus, dass die Längsnaht mittig liegt. Ihr nehmt eines der Oberteile, legt es so oben an den Rock, dass auch hier die Längsnaht des Rockes mittig an die untere Kante des Oberteils anschließt. Steckt dann das Oberteil links auf links fest und näht es mit dem Rock zusammen.
Dann steckt ihr das vordere Oberteil an den Rock und näht es ebenfalls an.
Nun nehmt ihr eines der Trägerstücke zur Hand. Faltet es einmal längs in der Mitte und bügelt darüber. Klappt den Stoffstreifen wieder auf und faltet die beiden langen Außenkanten zur Mitte und bügelt sie fest. Dann schlagt ihr die beiden kurzen Außenkanten ca. um 1cm auf beide Seiten nach innen. Bügelt auch das fest. Nun faltet ihr den Stoff wie im ersten Schritt längs mittig, bügelt darüber und steckt das Ganze mit Stecknadeln ab. Näht mit einem engen Geradstich entlang der drei offenen Außenkanten. Nun habt ihr einen der Träger – und wiederholt das ganze für das andere Trägerstück! Wenn ihr von vorhin noch die Kordel im Oberteil habe, nehmt diese heraus und ersetzt sie durch den Stoffstreifen. Bindet die Träger von Vorder-und Rückseite auf beiden Seiten zusammen und nun könnt ihr euer Kleid tragen!
Ich habe, wie ihr auf diesem Foto seht, seitlich noch kleine Druckknöpfe angebracht, damit Vorder- und Hinterteil seitlich nicht so weit auseinanderklaffen.
Yay! Ich kann gar nicht beschreiben, wie glücklich ich mit diesem Kleid bin! Mein erstes richtiges Kleidungsstück mit selbst entworfenem Schnittmuster! Ich bin so motiviert, mir weitere Schnitte auszudenken und diese auszuprobieren.
Falls ihr einen Schritt nicht verstanden habt, meldet euch gerne jederzeit. Bis dahin viel Spaß beim Nähen!